Nationalpark Hunsrück-Hochwald: Zipfelmützen

Wanderung auf dem Saar-Hunsrück-Steig

[Werbung*] Eine Wanderbloggerin hält unserem Ranger ein Buchenblatt unter die Nase. Darauf sitzt ein hellgrüner kleiner Zipfel – als hätte ein Gnom sein Mützchen im Laub liegenlassen. »Das ist es«, denke ich, »so ein unscheinbares wunderliches Waldding.«

Ich hatte Gnomzipfelmützen schon vor dem Bloggerwanderwochenende im Hunsrück gesehen, aber immer gedacht, das sei eine Blattkrankheit. Deshalb habe ich die Dinger nie angefasst. Man weiß schließlich nicht, ob so ein Baumparasit nicht doch irgendwie auf den Menschen überspringt. Dann mutiert er, und dann bricht eine Seuche aus, und wir haben alle grüne Zipfelmützenwarzen im Gesicht, die in unsere inneren Organe wuchern, und dann werden wir alle sterben. Wie ihr aus früheren Blogbeiträgen wisst, will ich nicht schuld sein an der globalen Apokalypse.

Der Ranger in seinem Revier

Die Zipfelmützen liegen an diesem Herbsttag überall im Nationalpark Hunsrück-Hochwald herum. Vielleicht hat eine Gnomparty stattgefunden?

Unser Ranger scheint nicht in Panik zu verfallen, als die Wanderbloggerin mit dem bemützten Blatt herumwedelt. Der Ranger heißt Patric Heintz, ist dreißig Jahre alt und kann sich für genau solche winzigen Wunder begeistern. Ich glaube, er freut sich, dass wir etwas entdeckt haben.

Patric arbeitet seit 2014 im Nationalpark, führt Besucher und Schulklassen durch den Wald, nimmt Bodenproben, beobachtet, notiert und pflegt – zusammen mit knapp dreißig anderen Rangerkollegen. Sie stapfen zwischen den rund 250.000.000 Bäumen des Nationalparks umher und kümmern sich darum, dass Natur Natur sein darf. Wer mag, kann die Ranger unter der Woche bei einer ihrer Touren begleiten – kostenlos.

Ich will von Patric wissen, was ihm an seinem Beruf besonders gut gefällt. Das seien vor allem die Mini-Highlights, sagt er. Etwa ein Baum, der von einem Pilz zersetzt wird. Die Wanderblogger, mit denen ich auf Einladung der Gastlandschaften Rheinland-Pfalz unterwegs bin, sehen das ähnlich. Jeder Pilz ist ein Foto wert. Unsere Betreuerin Karin fürchtet um ihren dichten Zeitplan, weil ständig einer von uns auf dem Boden herumkriecht, um einen Pilz vor die Linse zu bekommen. Es gibt Fliegen- und Schleimpilze, braune und graue, gelbe und orangefarbene. Ein ganzer Schwung davon findet sich wenige Stunden später auf Instagram.

Anfeindungen als Naturschützer

Die Pilze sind geduldig mit uns; Karin nicht. Sie scheucht uns ein bisschen und zieht das Tempo an. Wir kämen sonst nie an unserem Etappenziel an, dem Hunsrückhaus am Erbeskopf. Patric nimmt sich trotzdem Zeit für unsere Zipfelmützenentdeckung. Für ihn ist ein zügigeres Marschtempo ohnehin kein Problem. Jeden Tag ist er im Durchschnitt zwischen vierzehn und sechzehn Kilometer zu Fuß unterwegs. Er mag seinen Job – obwohl auch der seine Schattenseiten habe. »Man wird schon öfter einmal angefeindet«, sagt Patric. »Du hast mit diesem Job eine ganz klare Positionierung – du stehst für den Naturschutz.« Das höre auch in der Freizeit nicht auf.

Wir beugen uns über die Zipfelmütze; sie sitzt wie angeklebt auf dem Buchenblatt. An diesem Herbsttag liegt eine dichte Schicht Buchenlaub über unserem Pfad, feucht mit ein paar letzten grünen Tupfen.

Die Buche erobert sich im Hunsrück leise ihr angestammtes Gebiet zurück und verdrängt die Fichtenbestände. Manchmal helfen die Ranger ein bisschen nach – und spielen Eichhörnchen: Wenn Fichten fallen, pflanzen sie in die Lücken Buchensetzlinge und ziehen damit Nachkommen der Hunsrücker Buchen groß, ähnlich wie es Eichhörnchen tun, wenn sie Bucheckern im Waldboden verscharren.

Winterquartier einer Larve

Die Zipfelmütze sei eine Art Winternest für ein kleines Insekt, erklärt Patric und dreht das Blatt zwischen den Fingern. Wir dürfen das sonderliche Ding anfassen und genauer inspizieren. Es ist hart wie eine Nuss. Patric zupft die Mütze vom Blatt und versucht, sie mit den Fingernägeln zu öffnen. Zu hart. Er sucht nach einem Messer. Vorsichtig schneidet er den Insektenunterschlupf entzwei. Innen liegt eine winzige Larve, vielleicht zwei oder drei Millimeter groß. In dem Mützchen hat sie viel Platz. Sie wird sich darin in eine Buchenblattgallmücke verwandeln und im Frühling schlüpfen. Schädlich sind die Tierchen nicht.

Vorsichtig setzen wir das Mückenhäuschen wieder zusammen. Vielleicht schafft es der kleine Wurm über den Winter. Wir müssen uns sputen, um unsere Gruppe einzuholen.

Patrick wünscht sich, dass sich im Nationalpark Hunsrück-Hochwald all die Tiere und Pflanzen ansiedeln dürfen, die es dorthin zieht. Dazu gehört für ihn auch der Wolf. Momentan steht der junge Nationalpark aber noch ganz am Anfang. Der Mensch wartet darauf, dass die Wildnis zurückkehrt. Rund zweihundert Jahre soll das dauern. So lange können wir an diesem Tag nicht ausharren, aber immerhin: Die Buchengallmücken sind schon da.

 

Nationalpark Hunsrück-Hochwald

Etappe 10 auf dem Saar-Hunsrück-Steig zum Erbeskopf bis nach Hoxel

Land: Deutschland (Rheinland-Pfalz)

Anreise: Die Anbindung an den ÖPNV ist in vielen Hunsrücker Orten dürftig. Morbach beispielsweise, von wo aus sich die Wanderung auf den Erbeskopf starten lässt, ist von Bernkastel-Kues aus mit dem Bus erreichbar. Allerdings fährt von Börfink aus kein direkter Bus zurück. Sowohl in Börfink als auch in Morbach gibt es sogenannte Abholpunkte (mit Schild und Ruhebank gekennzeichnet). Gastgeber aus dem Umfeld holen Wanderer dort ab und bringen sie am nächsten Tag wieder dorthin.

Wer mit dem eigenen Pkw anreist, kann sein Auto am beispielsweise am Hunsrückhaus am Erbeskopf oder am Parkplatz Ortelsbruch stehenlassen, muss dann aber entweder den Rücktransport organisieren oder eine Route wählen, die zurück zum Startpunkt führt. Dafür bietet sich beispielsweise die siebeneinhalb Kilometer lange Traumschleife Gipfelrauschen an, die ebenfalls über den Erbeskopf führt (Startpunkt: Hunsrückhaus am Erbeskopf), oder die Börfinker Ochsentour von zehn Kilometern.

Gehzeit: Rund sechseinhalb Stunden für 19 Kilometer (19. Oktober 2019). Die Etappe zehn des Saar-Hunsrück-Steigs hat insgesamt fast 24 Kilometer. Im Rahmen des Bloggerwanderns sind wir von Börfink nach Hoxel gelaufen und haben die letzten vier bis fünf Kilometer nach Morbach ausgelassen.

Herausforderungen: Die Route führt meist über breitere Waldwege, teils auch über kleinere Pfädchen. Nur wenige kurze Anstiege sind sehr steil, meist geht es relativ sanft nach oben. Der Weg ist gut ausgeschildert.

Höhepunkte: Gallen der Buchengallmücke, Laub, Pilze, Nebel über dem Moor Ortelsbruch, Aussicht vom Erbeskopf, Ausstellung im Hunsrückhaus (informativ und kurzweilig), altes Eisenbahnviadukt

Ranger Patric Heintz
Man merkt, dass er seinen Job mag: Patric Heintz ist Ranger im Nationalpark Hunsrück-Hochwald, einem Gebiet so groß wie 14.000 Fußballfelder.

Noch mehr Wandergeschichten aus dem Hunsrück gefällig? Dann klick dich zur  Traumschleife Klingelfloss oder zu einer weiteren Geschichte vom Bloggerwandern zum Erbeskopf.

*Die Wanderung auf dem Saar-Hunsrück-Steig war Teil des 5. Bloggerwanderns Rheinland-Pfalz. Ich war auf Einladung der Gastlandschaften Rheinland-Pfalz (in Zusammenarbeit mit der Tourismus Zentrale Saarland, der Hunsrück Touristik, der Naheland Touristik, dem Nationalparkamt und der Tourist Information Sankt Wendeler Land) unterwegs.

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