Mallorca – GR 221: Sternenzelt

Das ist ein Live-Blog. Live aus einem Café in Palma de Mallorca am Plaça de l’Olivar. Zwischen Geschäften, Touristen, die an Eiskugeln schlecken, Straßenmusikern und Flaneuren. Zwischen hellen hohen Steinmauern, sonnigen Plätzen und verlassenen Gassen. Zwischen Häusern mit schweren Holztüren und einer Prise Meersalz in der Luft.  Zwischen Kirchen, in denen goldene Marienstatuen regieren, und McDonalds.

Ich wollte live aus dem Zelt bloggen. Mit einer Hand, während ich mich mit der anderen, ach was, mit nur einem Finger, an einer Steilwand festkralle, neben mir ein Mönchsgeier, der auf meinen Absturz wartet.

Auf der Suche nach dem Fünf-Sterne-Wildcampingplatz

Dieser Plan ist nicht aufgegangen. Wildcampen ist in der mallorquinischen Tramuntana verboten. Das ist kein Hindernis, erschwert allerdings die Wahl des Zeltplatzes, zumal mein Freund strenge Qualitätskriterien für Zeltstandorte festgelegt hat. Erstens: Der Platz darf vom Weg aus nicht einsichtig, muss also gut versteckt sein. Zweitens: Die maximal zulässige Größe für Steine auf dem Boden liegt zwischen Rosine und Haselnuss. Drittens: Um den Platz herum dürfen keine Nadelbäume stehen. Laubbäume sind akzeptabel, noch besser sind überhaupt keine Bäume, denn sie könnten auf unser Zelt fallen. Viertens: Der Platz darf keine schiefe Ebene sein und nicht auf offensichtlichem Privatgrund liegen. Fünftens: Er sollte sich nicht direkt an einem Gewässer befinden, weil sich nachts sonst zu viel Verdunstungsfeuchtigkeit im Zelt ansammelt. Dass ich nun nicht auch noch Handyempfang als weiteres Kriterium hinzufügen wollte, versteht sich von selbst.

Jetzt ist es in der Tramuntana so, dass es dort von folgenden Dingen außerordentlich viel gibt: Steine, Bäume, Berge und eingezäunte Privatgrundstücke. Am Aufstieg zum Coll de L’Ofre auf rund 700 Metern zwischen Sóller, dem Zentrum der mallorquinischen Orangenzucht, und dem Kloster Lluc, wird uns der strenge Qualitätsmaßstab zum Verhängnis. Stufe um Stufe schieben wir uns einen steingepflastertern Pilgerweg entlang, immer an einem Bachbett aufwärts. Laut Reiseführer sind es mehr als 2.000 Stufen.

Es ist Abend und Zeit, ein Nachtlager aufzuschlagen. In wenigen Minuten wird die Sonne hinter den Felswänden verschwinden.

Grashalme im Gesicht

Der einzige geeignete Platz liegt direkt am Weg, umgeben von hüfthohem Dissgras und mausgrauen Felsbrocken. Wir schieben die Bodenplane des Zeltes nach rechts und links und wieder nach rechts und links, drehen sie um, aber es reicht nicht für das Zelt. Wir sehen uns tief in die Augen, nicken uns zu. »Wir biwakieren«, sage ich. Biwakieren ist nicht verboten.

Die Hänge um uns herum färben sich orange. Von den wenigen Häuschen am Berg hören wir noch ein paar Lacher. Die letzten Wanderer des Tages humpeln müde den Berg hinab, begleitet vom Klippklapp ihrer Wanderstöcke. Die Sterne gehen auf, der Mond schleicht sich über die Bergkuppe und in Sóller springen die Straßenlaternen an. Dissgrashalme streicheln wie wuchernder Schnittlauch über mein Gesicht. Ein Kauz ruft, eine Ziege meckert. Ich verkrieche mich in meinen Schlafsack, werfe einen Blick in den Nachthimmel und wundere mich, wie gut es sein kann, keinen passenden Zeltplatz zu finden. Bloggen kann ich auch noch später. In Palma.

Mallorca – GR 221 (Route der Trockensteinmauern): Deià – Port de Sóller – Sóller – Biniaraix

  • Land: Spanien (Mallorca)
  • Anreise: Etappen 8 und 9 sowie rund 6 Kilometer der Etappe 10 in Hartmut Engels »Mallorca: GR 221, Route der Trockensteinmauern«. Gestartet sind wir kurz hinter dem Bergdorf Deià. Die Etappe 9 haben wir mit dem sogenannten Orangenexpress zurückgelegt.
  • Gehzeit: ca. 6 Stunden für rund 16 Kilometer (1. April 2018)
  • Höhepunkte: frisch gepresster Orangensaft und hausgemachter Kuchen in der Finca Son Mico, zwei Esel, Blick auf die Bucht von Port de Sóller, Füße am Strand von Port de Sóller im Meer baden, Fahrt mit dem Orangenexpress, einer historischen Straßenbahn, Aufstieg durch die Schlucht hinter Biniaraix
  • Herausforderungen: Mit 800 Höhenmetern ist der Aufstieg zum Coll de L’Ofre einer der längsten der gesamten Trockensteinmauernroute. Die Strecke ist relativ gut mit rot-weißem Balken markiert. Lediglich auf der Höhe ist die  Wegmarkierung nicht immer eindeutig. Ein wenig Orientierungssinn, eine Karte oder andere Navigationshilfen schaden nicht. Wasser und Sonnenschutz nicht vergessen.

 

 

 

4 Kommentare Gib deinen ab

  1. lecw sagt:

    Neid! Neid! Neid!
    Stattdessen sitze ich an meinem Schreibtisch und korrigiere.
    Aber warte nur – in drei Wochen sind wir an der Reihe, dann live aus Staffordshire! 🙂

    Like

Hinterlasse einen Kommentar