Ein Buddha in Siedelsbrunn und eine Düne bei Speyer
Es sieht so aus, als hätte ein Wurmloch ein Stück Thailand ins deutsche Mittelgebirge gewürgt: Im Odenwald hockt ein haushoher goldener Buddha. Vielleicht leide ich unter wanderbedingten Erschöpfungshalluzinationen? Ich blinzele, aber der Buddha ist immer noch da.
Wie es für so einen Erleuchteten üblich ist, lächelt er ein wenig überheblich auf mich herab und sagt: »Damit hast du wohl nicht gerechnet, gell?« Ich stiere den Buddha an und runzele die Stirn. Eine Antwort habe ich nicht parat. Der Buddha glitzert gelassen in der Wintersonne – ein bisschen wie eine religiöse Luxuskarosse; um ihn flattern ein paar tibetische Wimpel.
Ein bisschen protzig schaut sie schon aus, diese XXL-Statue mit den überdimensionierten Ohrringen. Aber im Grunde bin ich nur neidisch auf den Goldjungen im Schneidersitz, hat er doch die Sache mit der Weisheit besser hinbekommen als ich. Und er hat natürlich recht: Bis zu diesem Tag wusste ich nichts von dem buddhistischen Zentrum bei Wald-Michelbach, bei dem man nicht nur dem Riesenbuddha winken, sondern auch Seminare mit Titeln wie Juwel in der Lotosblüte – Die Praxis von Achtsamkeit und Selbstmitgefühl begleitet von Tibetischem Heilyoga Nejang buchen kann – zumindest, wenn man etwas Kleingeld mitbringt.
Asien im deutschen Mittelgebirge
Meine Weisheitslektion bekomme ich an diesem Tag gratis. Im Kleinen ist alles irgendwie in der Nähe. Und selbst im Odenwald steckt ein bisschen Asien: Im Café des buddhistischen Zentrums ziehen im ehemaligen Schwimmbecken des einstigen Kurhauses denn auch ein paar Koi-Karpfen stumm ihre Kreise. Der Kuchen ist saftig; die Portionsgröße nach der rund zwölf Kilometer langen Rundtour Siedelsbrunn mehr als angemessen.
Ein paar Wochen später spukt der Buddha wieder in meinem Kopf herum. Ich bin auf dem Weg zu einem landschaftlichen Kuriosum in der Nähe von Speyer. Mitten im Wald soll es eine Düne geben. Das kommt mir genauso verrückt vor wie der Odenwälder Buddha.
Tatsächlich ist der Boden sandig, als mein Freund und ich am Speyerer Stadtrand Richtung Ameisenberg marschieren. Ob das Wort »Berg« dem rund hundert Meter hohen Hügel angemessen ist, möge jeder selbst beurteilen. Der Ameisenberg ist auf jeden Fall die höchste Düne von Speyer.
Wir überqueren einen Truppenübungsplatz. Silbriges Gras krampft sich in den lockeren Boden. Die Bäume stehen licht; das Rauschen der nahegelegenen B9 drückt sich in den Wald hinein, und Hunde schießen als fellige Geschosse über die körnigen Wellen. Ob sie gerne über Sand laufen? Spaziergänger verstreuen sich auf den unzähligen Trampelpfaden, die das Gebiet durchziehen.
Auf sandigem Boden
Ich habe arge Zweifel an der Dünenhaftigkeit der angekündigten Binnendüne. Dünen sind kahl wie ein Glatzkopf. Hier wuchern überall Gestrüpp und Kiefern. Wind hätte den Sand doch längst in alle Richtungen verteilt. Und auf die Größe kommt es natürlich auch noch an. Ein Häufchen Sand kann ich als Düne nicht durchgehen lassen.
Mein Freund und ich navigieren uns mit dem Handy Richtung Ameisenberg. In einiger Entfernung schimmert es weißlich. Auf einmal überragt mich die Düne wie ein gestrandeter Wal. Vor mir türmt sich so viel Sand auf, dass darauf locker mehrere XXL-Statuen ihre Liegestühle aufstellen könnten. Wo sind die Karawanen? Der Wind hat Kuhlen in den Sand geblasen; es riecht nach feuchtem Stein.
»Damit hast du wohl nicht gerechnet, gell?« Ja, lieber Buddha, du hast mal wieder recht. Ein Pferd trabt über die weite Fläche und sinkt mit den Hufen ein. Nur die oberste Schicht der feinen Körner ist trocken, darunter klebt der Sand schwer. Das Meer fehlt. Das Rauschen der B9 ist kein geeigneter Ersatz.
Eisige Winde pusteten die Düne nach Speyer
Entstanden ist der riesige Sandkasten in der letzten Eiszeit vor rund 11.000 Jahren. Damals hat der Wind den Sand nach Speyer gepustet, der sich an Flusstälern abgesetzt hatte.
Wir laufen über den Rücken des Sandwals, lassen die Speyerer Binnedüne hinter uns und spazieren in den umliegenden Wald. In Speyer warten Kuchen und der Dom – immerhin von dem wusste ich schon.
Ich freue mich auf ein Stück Kuchen und auf weitere unerwartete Entdeckungen im Odenwald oder sonstwo. »Gut zu reisen, ist besser als anzukommen«, gibt der Buddha in meinem Kopf noch seinen Senf dazu. »Das letzte Wort auf diesem Blog habe immer noch ich«, schnippe ich zurück. Der Buddha aus dem Odenwald schmunzelt, und die uralten Sandkörner funkeln Weisheit.
Odenwald: Rundwanderweg Siedelsbrunn
Land: Deutschland
Anreise: Wir sind mit dem Auto angereist. Parken kann man zum Beispiel am Naturpark-Parkplatz Hardberg. Von Weinheim aus fährt außerdem die Buslinie 681 zum buddhistischen Zentrum. Die Haltestelle heißt Siedelsbrunn, Buddhas Weg. Den Fahrplan gibt es bei der RNV.
Gehzeit: etwas über drei Stunden für rund zwölf Kilometer (26. Januar 2020).
Herausforderungen: Der Weg ist als Si6 durchgängig markiert, manchmal sind die Wegezeichen aber schwer zu entdecken oder nicht ganz eindeutig.
Der Weg selbst hat einige kleinere Steigungen, ist aber ansonsten einfach zu gehen. Er führt über weite Strecken über breite Waldwege.
Höhepunkte: Lichtklinger Hof (Überreste einer Marienkapelle), Steinerne Bank, Kuchen im Teehaus des buddhistischen Zentrums Buddhas Weg, Koikarpfen im ehemaligen Schwimmbecken
Zum Ameisenberg: Spaziergang zur höchsten Speyerer Sanddüne
Land: Deutschland
Anreise: Speyer ist mit dem Zug erreichbar. Vom Bahnhof aus kommt man nach einem etwa einstündigen Fußmarsch zum Ameisenberg.
Gehzeit: Wir waren rund drei Stunden unterwegs: vom Speyerer Hauptbahnhof zum Ameisenberg und dann zurück zum Dom in Speyer. Rund um den Ameisenberg gibt es jeden Mengen Spazierrouten, wir sind keiner speziellen gefolgt. Eine mögliche Route um den Ameisenberg ist die Dünenwaldrunde von Dudenhofen.
Herausforderungen: Die Strecke zum Ameisenberg und zurück in die Speyerer Innenstadt ist etwa zäh, weil die Strecke durch ein unspektakuläres Wohngebiet führt und lange Zeit die Bundesstraße zu hören ist.
Höhepunkte: Speyerer Binnendüne, Kiefern, Speyerer Dom, Cupcake bei der Cupcake-Fee in Speyer
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