Bibbulmun: Buschbäckerei

An diesem Tag, am 20. September 2018, ist es so weit: Über dem australischen Busch räkelt sich ein wolkenloser Himmel. Es bleibt mir noch genug Zeit bis zur Dämmerung, die sich im Frühjahr in Westaustralien zeitig in den Tag schleicht. Es ist die perfekte Gelegenheit.

Mein Freund und ich haben die Bibbulmun-Hütte Gardner schon am frühen Nachmittag erreicht. Sie liegt verschlafen verlassen in der Sonne. Mit meinem Plan komme ich niemandem in die Quere. Unterhalb der Hütte singt ein kleiner Bach, träge surren ein paar Insekten, die schmalen Blätter der Eukalyptusbäume rascheln leise, Kakadus schreien. In einem kleinen Schuppen trocknet Feuerholz. Es ist Zeit für kulinarische Höhenflüge, für Genüsse jenseits karger Wandererkost. Knusprig, frisch, außen kross, innen weich.

Braune Matsche zum Frühstück

An dieser Stelle braucht ihr eine kurze Einführung, wie die täglichen Mahlzeiten auf dem Weg von Perth nach Albany aussehen. Das Müslimüdigkeitsproblem, erstmals aufgetreten 2016, habe ich mittlerweile gelöst. Zum Frühstück gibt es Haferflocken (pur) in heißem Wasser, in die ich einen Löffel Nutella einrühre, sodass eine leckere braune Matsche entsteht. Dazu schlürfe ich eine Tasse löslichen Kaffee mit Milchpulver. Das Milchpulver löst sich nicht völlig auf, im Kaffee schwimmen oben zarte Flöckchen, unten am Grund der Tasse haften weiße Brocken. Das Kaffeebröckchenproblem ist noch ungelöst, aber ich arbeite dran.

Bis zum Abendessen folgen bis zu sechs kleinere Zwischenmahlzeiten, je nach Länge der Strecke. Nach jeder Stunde ist Pause, und in jeder Pause esse ich. Ich schiebe Müsliriegel in mich hinein, knabbere Nüsse, kaue Schokolade oder beiße in einen Parmesanriegel.

Hier die Anleitung zum Herstellen eines Parmesanriegels: Man gehe in einen Supermarkt. Dort kaufe man Parmesan am Stück (nicht den geriebenen). Beim Wandern dann die Plastikverpackung abmachen und Parmesan essen wie einen Müsliriegel. Dank so ausgefuchster Rezepte gehören mein Freund und ich zu den wenigen Wanderern, die auf der tausend Kilometer langen Strecke kein Gewicht verlieren.

Zum Menü reiche man Regenwasser

Kekse und Cracker vervollständigen das Tagesmenü. Abends folgen Zweiminutennudeln, Couscous oder Spaghetti. Dank sei der Lebensmittelindustrie für den Variantenreichtum in ihrem Fertigsuppen- und Saucensortiment! Manchmal gibt es als Vorspeise Kartoffelsuppe mit Erbsen: Gefriergetrocknete Erbsen in Wasser aufkochen, Gemüsebrühwürfel und Instantpulver für Kartoffelpüree hinzufügen, umrühren, fertig. Als Getränk reiche man Regenwasser aus den Regenwassertanks an den Bibbulmun-Hütten.

Trotz dieser abwechslungsreichen Kost drängen auf dem Bibbulmun immer wieder Bilder von rot-grünen Äpfeln, frischen Paprika, Pizza, Gnocchi in Gorgonzolasauce und Ofenkürbis in meine Tagträume. Supermärkte werden Verheißung. Schokolade wird uninteressant, wenn man jeden Tag welche essen muss.

Aber an diesem Tag, Tag dreiundvierzig der Bibbulmun-Expedition, ist alles anders. Es ist der Tag, an dem appetitbefeuerte Träume wahr werden, an dem der Duft von Frischgebackenen die Possums aus ihren Verstecken locken wird.

Mehl und Trockenhefe trage ich seit Tagen im Rucksack. Ich mische beides mit Wasser und streue ein wenig Salz und Chiliflocken hinein. Dann massiere ich den weißen Teigklumpen. Ich knete, schüre Feuer und schnitze Stöcke zurecht, warte, bis die Hefe ihre Arbeit getan hat.

Die Buschbäckerei hat ihre Arbeit aufgenommen. Mein Freund schaut amüsiert skeptisch zu, wie ich aus dem Teig lange weiße Würste forme. Vor Wochen schon hatte ich die Idee mit dem Stockbrot und liege seitdem meinem Freund damit in den Ohren, aber mal ist kein Holz da, mal ist es zu spät, mal regnet es.

Die geschmeidig-weichen Teigschnüre wickele ich um die Stöcke, die ich über dem Feuer schweben lasse. Nach ein paar Minuten über der Glut sind sie knusprig braun, und es riecht im Busch nach frischem Brot.

Ich esse ein Stockbrot nach dem anderen, mal mit Schmelzkäse, mal mit Nutella, mal pur.

Mein Freund hält sich zurück. Ich merke, dass er nachdenkt. Er hat etwas vor. Ob er etwas von dem Teig haben könne, fragt er. Er wolle ein Brötchen backen. Er formt ein rundes Etwas. Ich glaube nicht an sein Vorhaben und schaue ihm amüsiert skeptisch zu.

Die kleine Teigkugel legt er vorsichtig in seine Tasse. Er stellt sie in die Nähe der Glut. Ich bin besorgt um die Tasse, aber sie ist aus Emaille und hält dem Härtetest stand.

Als er die Tasse aus der Glut angelt, ist der Brötchenprototyp an einer Seite noch etwas roh, ansonsten aber eindeutig als Brötchen erkennbar. Beim zweiten Versuch wendet mein Freund das Tassenbrötchen zwischendurch. Das Ergebnis ist perfekt, ein kleines rundliches duftendes Hefebrötchen.

Unsere Start-up-Buschbäckerei hat mit Tassenbrötchen und Stockbrot jetzt zwei Produkte. Damit mischen wir den Outdoormarkt auf. Wir werden Kurse geben (Stockbrot und Tassenbrötchen – Der Weg zum Wanderglück und Wie du in der Wildnis nur mit Tassenbrötchen überlebst), Bücher schreiben (Wie wir dank Tassenbrötchen reich wurden), Backmischungen produzieren und an Wanderführer Franchise-Lizenzen vergeben. Bestellungen nehme ich ab sofort entgegen.

Bibbulmun: Northcliffe bis Walpole

Land: Australien

Anreise: Northcliffe ist per Bus beispielsweise von Perth oder Walpole erreichbar. Für uns war Northcliffe der Endpunkt der vorherigen Etappe auf dem Bibbulmun.

Gehzeit: acht Tage für rund 132 Kilometer (20. bis 27. September 2018). Die Strecke hat normalerweise 142 Kilometer. Durch eine Umleitung wegen einer Überflutung war sie rund zehn Kilometer kürzer.

Herausforderungen: Die Pingerup Plains können je nach Wasserstand zermürbend sein. Wir hatten Glück und mussten nur ab und an durch größere Pfützen. Teile des Weges waren stark zugewuchert. Wir waren froh um die Gamaschen, denn die Schlangen rascheln überall im hohen Gras.

Höhepunkte: Hütte Dog Pool (liegt direkt am Fluss), Orchideen, Ausblick vom Mount Chance, kleine Frösche

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