Padjelantaleden: Müsli-Müdigkeit

Trekking: Mit Frühstücksflocken durch die Wildnis Schwedens

Internetrecherchen hatten ergeben: Für die Wanderung auf dem Padjelantaleden musste Müsli her. Weitstreckenwandererin Christine Thürmer vertilgt nach eigenen Angaben pro Tag 250 Gramm davon. Da Müsli am schwedischen Polarkreis nicht auf Bäumen wächst und die Einkaufsmöglichkeiten auf dem Padjelantaleden spärlich ausfallen, galt es, umfassende Müslibeschaffungsmaßnahmen einzuleiten.

Mein Freund und ich hatten vor, Müsli nur zum Frühstück zu essen und nicht in der gleichen Menge wie Frau Thürmer. Entsprechend halbierten wir die täglich benötigte Müsliration um die Hälfte. Bei einer Gehzeit von rund zehn Tagen und zwei Personen ergab sich so ein Müslibedarf von insgesamt rund 2,5 Kilogramm für die 140 Kilometer lange Strecke.

Auf zum Polarkreis: Küchenlabor für Trekkingkost

In der Küche baute ich eine professionelle Müslimisch- und Abfüllanlage auf: Haferflocken (grob und fein), Schockdrops, getrocknete Erdbeeren, Zimt, Kakao, Zucker, Mandelmilchpulver, Haselnüsse und Mandeln vermengte ich zu individuellen Kreativkompositionen. Das Mandelmilchpulver war zwar ein Fehlkauf gewesen, als Alternative zu normalem Milchpulver taugte es geschmacklich nicht, aber es musste weg … (Für die Nichtwanderer: Milch lässt sich schlecht transportieren, da schwer. Milchpulver löst das Problem, zumindest wenn man bereit ist, geschmackliche Kompromisse einzugehen.)

Portionsweise füllte ich die Zutaten nach Gutdünken in Zippo-Beutel ab. Kleine Portionen: rund 60 Gramm, große Portionen 120 Gramm. Die Küche sah bald aus wie ein Drogenlabor, in dem die heiße Ware kundengerecht verpackt wird.

Müsli verschafft Sicherheit: Zum Essen braucht es nur etwas Wasser (in Schweden kein Problem), dank Nüssen hat es jede Menge Kalorien, die einzelnen Müslibeutel lassen sich zwischen Socken, Schlafsack und Regenjacke quetschen – irgendwo im Rucksack passt immer noch ein Müsli hinein – und Haferflocken sind voller irgendwelcher gesunder Sachen, die etwaigen Mangelerscheinungen beim Langstreckenwandern vorbeugen. Padjelanta, ich komme! Es lebe das Müsli, der Heilsbringer in Flockenform!

Zu Hause esse ich ganz gerne Müsli, so mal. Ab und zu eben.

Bereits an Tag zwei am Polarkreis überkam mich allerdings ein ungutes Gefühl bezüglich der nach Schweden importierten Müslimengen. Die Flocken schauten mich vorwurfsvoll an: Iss uns. Wir sind gesund und lecker.

Polarkreisklima tötet jede Flockenleidenschaft

Ich bekam sie nicht runter. Bei zehn Grad morgendlich frostiger Außentemperatur ist ein mit Gletscherwasser, das nur knapp Eiswürfeltemperatur überschreitet, angerührtes Müsli etwa so attraktiv wie nasse Unterwäsche. 60 Gramm gingen noch gerade so, 120 – keine Chance. Ich war müsli-müde geworden. Die Flockenleidenschaft war im Polarklima eingefroren. Vielleicht könnte ich die Flocken an die Rentiere verfüttern? Ich sehnte mich nach Käsebrot und Keksen statt süßlich-wässrigem Körnerkram, der aussah wie Haferschleim mit Bröckchen.

Gut ein Drittel der Müslipackungen nahm ich wieder mit nach Hause , nachdem ich sie 140 Kilometer durch die Wildnis Schwedens getragen hatte. Als eiserne Reserve hatten sie immerhin tatsächlich etwas Beruhigendes. Wenn es ganz hart kommt, dachte ich im einsamen Polarkreisnirgendwo, kann ich immer noch das Müsli essen.

Padjelantaleden auf einen Blick: eine Wanderung am Polarkreis

  • Land: Schweden
  • Anreise: Flugzeug von Frankfurt am Main nach Stockholm, dann Nachtzug nach Gällivare, Bus nach Ritsem, dann mit dem Boot zum Ausgangspunkt der Route
  • Länge: 140 Kilometer
  • Gehzeit: neun Tage (August 2016)
  • Höhepunkte: Rentiere, Wasserfälle, Moose und Flechten, weite Ebenen, Bäche und Moore, Sumpfgras
  • Herausforderungen:
    • Ende August kann es nachts schon sehr kalt werden (dicken Schlafsack einpacken!)
    • Aussprachetechnisch ist der Padjelantaleden eine Katastrophe. Ein Wort mit sechs Silben, die ein bisschen wirken, als wären sie willkürlich aneinandergereiht. Ich musste das Wort immer wieder sagen: Padjelantaleden, Padjelantaleden, Padjelantaleden. Wer dort unterwegs ist, nennt ihn liebevoll und kurz nur »Padjelanta«.
    • Auf dem Padjelantaleden gibt es an einigen Hütten teils mehrere Tage voneinander entfernt eine Art Miniatur-Tante-Emma-Laden. Dort gibt es zum Beispiel Nudeln, Kekse und Bier. Der Einkauf dort ist allerdings teuer und deckt nicht unbedingt euren Bedarf ab. Ihr müsst also Proviant für die Tour einpacken (zum Beispiel Müsli …) – und den dann durch die Wildnis tragen.

Mehr Lesestoff

  • Hauke Bendt hat sein »Alltagsleben« auf der Tour über den Padjelantaleden Etappe für Etappe beschrieben und mit vielen Fotos illustriert.
  • Die Seite fjaellwanderung.de hält nützliche Tipps zu den einzelnen Etappen, den Hütten am Weg sowie zu An- und Abreise bereit. »Der Padjelantaleden ist ein niedlicher Wanderweg im Padjelanta-Nationalpark«, ist dort zu lesen. Warum der Weg niedlich ist, ist für mich nicht ganz klar, aber egal … Wer vom Fjäll nicht genug bekommen kann, findet dort weitere Tipps etwa zum Kungsleden oder zum Nordkalottleden.
  • Ein Bericht über die ersten Etappen auf dem Padjelantaleden samt Vorbereitungen findet sich bei Guillermo Barron (englische Seite), der den Track wegen Knieproblemen nicht bis zum Ende laufen konnte.

Dir hat diese Wandergeschichte gefallen? Dann freue ich mich über ein Like auf meiner Facebook-Seite. Mehr zum Padjelantaleden gibt es in der Wandergeschichte Hirnfrost.

8 Kommentare Gib deinen ab

  1. hikeminded sagt:

    Oh Mann. Das kenne ich. Habe auch schon diverses Zeug (bei Essen isses am Schlimmsten) durch Wüsten und Berge geschleppt. Auch nicht gesagt, dass es beim nächsten Mal besser wird. Da findeste dann Käsebrot doof und hast Berge davon dabei. 🙂

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  2. Nadine sagt:

    Erfrischend frisch, dein Blog. Werde jetzt öfter vorbeischauen.

    Gefällt 1 Person

    1. Jana sagt:

      Das freut mich. Du bist immer willkommen!

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