Schwarzwald: Schwitzwald

Wenn er nicht so kleine Schienbeine hätte, würde ich dem Schwarzwaldpiepmatz dagegen treten. Tschilp, tschilp, tirilirilirili. Shut up.

Das Federvieh fiept Schwarzwaldidylle. Es hat gut reden. Es schleppt sich nicht Meter für Meter diesen unnützen Berg hoch. Würde mit so kleinen Schienbeinen auch sehr lange dauern. Der Zwitscherer hockt nur oben auf seiner Weißtanne rum. Hier unten: Nix Idylle, sondern Schweiß. Ich nix Flügel, ich Fußgänger, du arroganter Vogelarsch.

Blogs sollen ehrlich sein. Schonungslos. Ihr wollt die Wahrheit? Wenn ihr darauf nicht vorbereitet seid, könnt ihr jetzt noch das Browserfenster schließen und weiterhin daran glauben, dass es beim Wandern um die schöne Aussicht geht. Und die atemberaubende Landschaft. Und traumhafte Pfade, romantische Täler und so. Mitnichten. Wandern ist Schweiß. Nur schreibt darüber niemand.

Der Schweiß läuft und rinnt und suppt. Dank Anstieg auf den 1054 Meter hohen Schliffkopf lässt sich auf meinem T-Shirt bald Salz in großem Stil abbauen. Wandern ist für diese Art der Salzgewinnung besonders geeignet. Über einen längeren Zeitraum verdunstet Sole und hat ausreichend Zeit zum Antrocknen. Der Rohstoff sammelt sich entlang der Schweißränder – vorzugsweise da, wo der Rucksack aufliegt. Dort müssen die Arbeiter das Salz nur noch abschöpfen. Nein, Deo hilft da auch nicht.

Niemand berichtet stolz, dass er sich mit puterroter Birne und klebenden Hosenbeinen fast anderthalb Stunden lang einen Schwarzwaldhügel hinaufgeschleppt hat. Dass knapp 500 Höhenmeter Anstieg völlig ausreichend sind, um sich anzuhören wie ein Pferd mit Asthma. Dass sich schwüles Schwarzwaldwetter anfühlt wie ein Latexhandschuh im türkischen Dampfbad. Dass er nicht stehenbleibt, um Schwarzwaldtannen zu bewundern oder weil er im Unterholz einen Auerhahn vermutet, sondern weil die Schorle, die er noch zwei Stunden zuvor an der Klosterruine Allerheiligen getrunken hat, dabei ist, sich zu vaporisieren.

Auf dem Gipfel des Schliffkopfs setze ich mich auf eine Bank und wickle mein Käsebrötchen aus. Der Käse hat auch geschwitzt. Der Schwarzwaldwind föhnt mich und den Käse trocken und ich scanne die Heidelandschaft. Keine Bäume im Weg. Freier Blick. Ganz schön, die Aussicht, denke ich, halte Ausschau, ob nicht ein Auerhahn vorbeihuscht, und freue mich, dass ich für heute nur noch bergrunter gehen muss.

Oppenau – Von Allerheiligen über den Schliffkopf zur Wahlholzhütte und zurück

  • Land: Deutschland
  • Anreise: mit dem Auto zur Klosterruine Allerheiligen, alternativ zu einem der Wanderparkplätze in der Nähe
  • Gehzeit: rund 5 Stunden für etwa 13 Kilometer (Mai 2017)
  • Höhepunkte: Allerheiligen Wasserfälle, Weg entlang der Grinden (so nennt sich die Heidelandschaft auf dem Schliffkopf)
  • Herausforderungen: Anstieg auf den Schliffkopf

sdr

2 Kommentare Gib deinen ab

  1. Hallo Jana, sehr schöner Wanderbericht über meine Heimat. Gefällt mir sehr gut, wie auch der Rest deines Blogs. Weiter so! Gruß Flip

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    1. Jana sagt:

      Vielen Dank! Deine Heimat gefällt mir auch gut 🙂

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